7. September 2015

Mathematik

Von Th.-M. Robscheit
This entry is part 34 of 134 in the series geistliches Wort

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser, ist Ihnen schon einmal aufgefallen, in was für einer beschränkten Welt Sie leben? Gedanklich fest eingerichtet und ummauert. Über unseren Horizont hinauszudenken, sich auf Neues einzulassen, fällt uns schwer. Als Kinder haben wir gestaunt, was es alles gibt, aber irgendwann glaubten wir, so im Groben zu wissen, wie es in der Welt zugeht und haben uns mental abgeschottet. Und die Folge? Wir erkennen nur noch einen Bruchteil der wunderbaren Welt, die uns umgibt.
Das glauben Sie nicht? – Nun, das ist doch schon der Beweis, dass ich richtig liege! Aber Spaß beiseite: Nehmen Sie sich ein Blatt kariertes Papier! Nun machen Sie neun Punkte in benachbarte Kästchen, jeweils drei neben und drei untereinander. Die Punkte haben jetzt waagerecht und senkrecht einen gleichen Abstand zum Nachbarpunkt (z.B. 0,5 cm). Das ist die Vorbereitung; nun zu Ihrer Aufgabe: Zeichnen Sie eine gerade Linie beginnend in einem der Punkte, die mit maximal drei Knicken durch alle neun Punkte hindurchführt.

Wenn Sie´s gelöst haben, wissen Sie von welcher gedanklichen Beschränkung ich rede. Solche Schranken werden beim Rätseln für uns sichtbar, im Alltag ist es da ungleich schwerer, offen zu sein! Wenn es uns dann doch gelingt, ist das Staunen umso größer; ein Beispiel: Zu Weihnachten wurde mir ein Mathematikbuch geschenkt und ich muss zugeben, dass ich beim Durchlesen sehr oft gestaunt habe! Ich habe Dinge und Zusammenhänge erfahren, die mir mit meinem Menschenverstand zunächst völlig widersinnig erschienen und doch war es richtig. Da wird von einer Umgehungsstraße berichtet, die zwei kleine Dorfstraßen entlasten soll. Doch statt dass die Menschen nun schneller an ihr Ziel kommen, brauchen sie ein paar Minuten länger. Wenn der kluge Fahrer daraufhin wieder die alte kleine Straße benutzt, braucht er trotzdem länger als früher! Das klingt unglaublich, aber es ist nicht nur mathematisch nachvollziehbar, sondern auch „praxiserprobt“. Ähnlich „unlogisch“ verhält es sich mit den „Rasern“ auf der Autobahn: Sie produzieren die Staus (nicht etwa die langsamen)! So gibt es noch unzählige weitere Beispiele dafür, dass wir in unserer fest eingerichteten Gedankenwelt den Blick für weite Teile unserer Wirklichkeit verlieren. Unsere staunenden Kinderaugen haben wir geschlossen und können so unsere Umwelt oft nur stückweise wahrnehmen; Unbekanntes wird oft einfach ausgeblendet; Neues wollen wir nicht wahrhaben, weil es unsere Erfahrungen in Frage stellen könnte
Heute wird in der Politik immer mal wieder vom lebenslangem Lernen gesprochen, gemeint ist in erster Linie die ständige berufliche Weiterbildung; aber lebenslanges Lernen ist weder eine neue Erfindung, und schon gar nicht eine neue Notwendigkeit! Bereits im Buch der Sprüche im Alten Testament lesen wir den Vers für den morgigen Sonntag: „Bleibe in der Unterweisung, lass nicht ab davon; bewahre sie, denn sie ist Dein Leben!“ (Sprüche 4, 13)
Ich wünsche Ihnen liebe Leserinnen und Leser, ein Wochenende, dass für Sie einen überraschenden Einblick in unsere Welt bereit hält und die staunenden Kinderaugen um das Ungewohnte auch erkennen zu können.
Ihr Pfarrer Th.-M. Robscheit aus Kapellendorf

 

Januar 2009

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