7. September 2015

Saat

Von Th.-M. Robscheit

Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser, wo ich gerade sitze um diesen Artikel zu schreiben? „Am Schreibtisch!“, werden manche denken. „Bestimmt nicht auf dem Balkon, es schneit ja schon wieder!“; „Der hat doch auch schon im Urlaub geschrieben…“, erinnert sich vielleicht manch einer. Aber leider nein. Ich bin nicht im Urlaub, auch nicht auf dem Balkon, nicht im Arbeitszimmer, sondern sitze in der Schule. Religionsunterricht. Mit der zehnten Klasse habe ich gerade Jesus und Johannes den Täufer behandelt. Was war beiden gleich, wo waren die Unterschiede, ihre Kombinationsgabe und Allgemeinwissen mussten die Jugendlichen anstrengen (und sie waren erfolgreich!) um den Geburtstag Johannes des Täufer herauszufinden. Hilfe dazu ein Bibelvers: „Du musst zunehmen, ich aber muss abnehmen.“
Ich gehen gerne zur Schule (sofern morgens aufstehen und zur Arbeit fahren überhaupt Spaß machen kann), aber manchmal frage ich mich auch, was bringt das den Jugendlichen, über Johannes Bescheid zu wissen? Wofür ist es gut, das Kinder das Gleichnis vom verlorenen Schaf oder dem Sämann mit der vierfachen Saat kennen lernen? Warum sollen sie sich mit christlichen Anthropologie beschäftigen? Wenn wir in der nächsten Woche eine LK schreiben, werden wieder manche magelhaft sein, einige ausreichend (was aus meiner Sicht keinesfalls ausreichend ist) und natürlich auch manche gut. Aber was wissen die Jugendlichen auch noch in einem Jahr? Oder werden letztlich nur Perlen vor die Säue geworfen, wie das die Bibel nennt?
Unterrichten kann manchmal auch sehr frustrierend sein! Besonders, wenn die eigenen Bildungsideale mit denen der Schüler gar nicht übereinstimmen. Doch dann hilft mir ein Satz, den mir eine alte Katechetin vor vielen Jahren gesagt hat: „Irgendwas bleibt hängen, irgendwann geht die Saat auf, Du säst bloß!“ Das Gleichnis vom Säman, das schon Jesus erzählt hat: Der Bauer, der seinen Samen auf das Land wirft, etliches vergeht aus unterschiedlichsten Gründen, aber manches geht viel später auf, wächst und gedeiht.
Nun ist die Freistunde vorbei, ich gehe wieder wohlgemut in die nächste Klasse: Anthropologie, keine einfache Kost. Aber wer weiß, vielleicht werden die Kinder in vielen Jahren mit Pflegefällen, einer ungewollten Schwangerschaft oder einer Behinderung konfrontiert werden und müssen Entscheidungen treffen. Meine Hoffnung ist, dass dann in ihrem Herzen eine kräftige Pflanze gewachsen ist, die ihnen Halt und Orientierung gibt, gewachsen aus einem winzigen Samenkorn, das einmal ein gut-meinender Mensch ausgestreut hat.

Ihr Th.-M. Robscheit aus Kapellendorf

Print Friendly, PDF & Email