8. September 2015

Schlaf 2

Von Th.-M. Robscheit
This entry is part 46 of 134 in the series geistliches Wort

„Nichts ist so alt, wie die Zeitung von gestern!“, dieser Spruch, liebe Leserinnen und Leser, ist Ihnen sicherlich bekannt. Zeitungen, Fernsehen & Radio müssen immer aktuell und neu sein. Alles andere ist uninteressant, allenfalls noch zum Schmunzeln. Mir geht es mit dem Wetterbericht manchmal so. Wenn ich einen aufgenommenen Film ansehe: am Anfang noch das Ende der Tagesschau und ich werde dann bei frühlingshaften Temperaturen darüber informiert, dass in der Nacht mit heftigen Schneefällen und Temperaturen um minus 16°C zu rechnen sei.
Nachrichten müssen aktuell sein, jeden Tag eine neue Zeitung. Um so erstaunlicher ist es, dass Sie in dieser TA-Ausgabe einen Artikel lesen können, der genau so im April 2005 bereits abgedruckt war! Wie kann das sein? Der Redaktion ist das nicht leicht gefallen, so gegen die eigenen Prinzipien zu verstoßen, sich nichteinmal die Mühe zu machen, „kalten Kaffee“ wieder aufzuwärmen, sondern ihn so zu servieren wie er ist: erstaunlicherweise ziemlich heiß.
Nachrichten müssen neu sein, die Grundwahrheiten unseres Lebens aber sind und bleiben immer die gleichen. Doch oft vergessen oder verdrängen wir in der Schnelllebigkeit unserer Welt, was wirklich wichtig ist. Deswegen muss auch das schon hundertmal Gesagte wiederholt werden: Wir sind verantwortlich füreinander und für diese Erde.

TA, April 2005
Liebe Leserinnen und Leser, Sie kennen das Gefühl:
Schlaf, schöner wonniger warmer Schlaf im weichen Bett.
Wir haben die Augen geschlossen und träumen in unserer Welt, haben Sorgen und Freuden. Die Winterreifen müssen gewechselt werden, jetzt ist doch Sommer!
Und irgendetwas müssen wir uns mit unserem Kind einfallen lassen. Es ist viel zu unordentlich! Ja, es gibt Probleme.
Aber viele Dinge sind auch ausgesprochen schön: Draußen zwitschern Vögel. Frühstück im Garten, die leckeren Brötchen. Oder abends: eine duftende Pizza, dazu ein Glas Rotwein und die milde Sommerluft. Es ist nicht richtig dunkel. Irgendwoher kommt Licht. Und in den Augen meiner Frau jenes Leuchten, das nur mir gilt. Das Leben ist schön! Wir spüren die Wärme.
Geborgenheit. Das warme, weiche Bett.
Nur manchmal, ein Alptraum schreckt uns hoch, schweißgebadet, nein, nein, nur ein Traum! Nur ein Traum, schlaf wieder ein, finde Frieden, denke nicht daran. Das leichte gleichmäßige Knacken gilt uns nicht. Man sieht schließlich nichts, auch riecht es nicht angebrannt. Und trotzdem wirkt das Knacken bedrohlich, fast wird es zum rasenden Ton einer ablaufenden Angelschnur. Wo ist der Haken?
Schlaf. Es ist nur ein Traum, nichts passiert, heute nicht, nicht gestern und auch nicht vor neunzehn Jahren. Schlaf weiter, schließe deine Augen, genieße den Duft der Pizza und ärgere Dich über die Unordnung im Kinderzimmer. Schlaf weiter! Es gibt Halbwertzeiten. Und irgendwann wird alles wieder so sein wie früher.
Wir schlafen warmen weichen Schlaf, schlafen in wolliger Wärme – bis es klopft. Zaghaft, dann immer schneller, knatternd schließlich wie ein Maschinengewehr. Und Schlafes Bruder öffnet die Tür. Dann gehen uns die Augen auf und wir sehen instabiles Jod, leichfüßige Ionen und schwerfälliges Uran. Und irgendwo im Chaos die mahnenden Schemen eines brennenden Reaktorblockes, Dienstag vor neunzehn Jahren in Tschernobyl.

Bleiben Sie munter! Ihr Pfarrer Th.-M. Robscheit

März 2011

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