7. September 2015

Sarrazin

Von Th.-M. Robscheit
This entry is part 43 of 134 in the series geistliches Wort

Liebe Leserinnen und Leser!

Nein, ich habe das Buch nicht gelesen – wie übrigens die meisten Menschen nicht-, deswegen schreibe ich auch nicht über Herrn Sarrazin. Fast kommt mir dieser Satz schon merkwürdig vor. Es gibt ja kaum noch eine Zeitung, in der sich nicht mindestens ein Kommentar mit dem „Fall Sarrazin“ beschäftigt. Der Normalbürger staunt nur über die Wellen der Aufmerksamkeit. Da bemühen sich alle um politische Korrektness Besorgten Ihre Empörung zu äußern, auf der anderen Seite wird unter vorgehaltener Hand meistens kommuniziert, dass ja doch was dran ist an Sarrazins Thesen. Und um das alles zu klären, gibt es fast jeden Abend eine Talkshow mit Herrn Sarrazin.

Fällt Ihnen etwas auf? Obwohl ich nicht darüber schreiben will, taucht der Name Sarrazin bisher schon fünf mal in diesem Text auf! Was passiert da eigentlich?
Wir leben in einer Medienwelt und ohne es zu merken, werden wir in den Strudel aus Meldungen und Dementis hereingezogen. So etwas wie Objektivität hat es vielleicht noch nie gegeben, jetzt wird aber ganz systematisch die öffentliche Meinung beeinflußt.
Eine Diskussion ist angestoßen worden, gleichzeitig soll aber auch ein Buch verkauft werden. Wir verdrängen oft, dass auch schlechte Presse und laute Empörung in der Öffentlichkeit gehört werden und Auswirkungen haben. Ohne die vielen Interviews und das lautstarke Aufregen, würden nur ein Bruchteil der Bücher verkauft werden.

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Diskussion mit unserer Tochter, als die erste „Körperweltenausstellung“ in Deutschland stattfand. Ich habe diese Ausstellung abgelehnt, weil ich den Umgang mit den Leichen für nicht menschenwürdig halte. Diese Ablehnung brachte mir den Vorwurf ein, man müsse sich doch wenigstens die Ausstellung ansehen, um sich ein Urteil erlauben zu können. Meine Erwiderung damals: „Wenn ich mir die Ausstellung überhaupt ansehe und Eintritt bezahle, dann unterstütze ich das doch schon. Die Rechnung der Macher geht dann doch auf, denn sie verdienen ihr Geld!“ Ganz ähnlich verhält sich das mit so vielen Dingen, die in der Öffentlichkeit großen Wirbel verursachen. Wie können wir damit umgehen? Alles totschweigen oder ignorieren? Sie werden mir recht geben, auch das kann keine Lösung sein.

Oder erinnern Sie sich an Frau Hermann, die mit ihren Thesen zur Rolle der Frau für Wirbel gesorgt hatte? Ihr war gedankliche Nähe zum Nationalsozialismus vorgeworfen worden und es fand jene berühmte Sendung bei J.-B. Kerner statt, die mit Ihrem „Rauswurf“ endete. Das alles war eine absolut unqualifizierte Diskussionsrunde, besonders Frau Schreinemakers fiel durch besonders empörtes Verhalten und wenig Sachverstand auf. Erinnern Sie sich? Das interessanteste an der Runde war aber gar nicht die Diskussion. Die Sendung wurde aufgezeichnet und erst einige Stunden später ausgestrahlt. Bereits 20:00 kam die Meldung, dass es bei Kerner zu einem Eklat gekommen sei und Frau Hermann aus der Sendung geworfen worden ist. Die Folge: besonders hohe Einschaltquoten.

Drei Beispiele, liebe Leserinnen und Leser, die zeigen, wie sehr wir als Spielball mißbraucht werden sollen. Trittbrettfahrerei bei echten oder inszenierten Skandalen dienen oft nicht der Sache, sondern dem Geldbeutel der Beteiligten. Manch eine Diskussion ist nichts anderes als intellektuelles Wrestling: das Ergebnis steht fest, der Kampf ist Show und alle Beteiligten verdienen ihr Geld.
Oft hilft die Antwort auf eine einfache Frage: qui bono – wem nützt es? Und dann entscheidet unser Gewissen, wo es nötig ist gegen Unrecht zu schreien – und wo man besser schweigt. Halten Sie Augen & Ohren offen!

Ihr Th.-M. Robscheit
Kapellendorf

September 2010

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