7. September 2015

Suchet mich, so werdet Ihr leben!

Von Th.-M. Robscheit
This entry is part 41 of 134 in the series geistliches Wort

Schön fromm hört sich der Spruch für den Monat Juni an! „Suchet mich, so werdet Ihr leben!“, woran denken Sie, liebe Leserinnen und Leser, dabei? Vielleicht an einen Konfirmationsspruch. So was wird da ja gerne genommen. Klingt gut und ist wenig konkret. Wie soll man sich das denn vorstellen, Gott suchen? Ein bisschen hört sich das an wie die Legende um König Artus und die Suche nach dem Heiligen Gral. Ein ganz und gar unrealistisches Vorhaben, Gott suchen! Und wie sollte man sich erst den Erfolgsfall vorstellen: Gott tatsächlich zu finden?
Vielleicht fragen Sie sich auch, wer denn dieser Amos war und was ihn geritten hat, diesen Spruch vom Stapel zu lassen. Tja Amos, das ist nun auch schon 2700 Jahre her. Er war ein Unruhestifter, ein religiöser Fanatiker, jemand, den man nicht gerne in seinem Gottesdienst sitzen haben möchte. Man weiß nicht, wann der plötzlich aufsteht und anfängt laut dazwischen zu reden. Einen religiöser Spinner, so würde man ihn wohl heute nennen – und belächeln.
Damit tut man Amos allerdings unrecht. Fanatisch war er, Gottesdienste gestört hat er auch, ein Spinner war er allerdings nicht. Seine Einschätzung der Lage war kritisch, anklagend und richtig.
Amos lebte in Zeiten, als es den Besserverdienenden immer besser ging, hauptsächlich auf Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten. Es gab immer schwierigere Arbeitsbedingungen, Unrecht wurde gerichtlich durchgesetzt, mit Geld wurde spekuliert. Die ethischen und moralischen Maßstäbe der Herrschenden gingen immer weiter verloren. Kommt Ihnen das auch bekannt vor?
Nach außen eine schöne Fassade, Sonntagsreden und im Alltag Unrecht und kein schlechtes Gewissen dabei!
Die Zeiten ähneln sich, und Amos´ Spruch ist dadurch auch heute aktuell. Das Suchen nach Gott ist für ihn durchaus ganz konkret und alltäglich: Nicht auf Äußerlichkeiten und schönen Schein setzten, sondern Gottes Willen leben. Gebet und Gottesdienstbesuch gehört für ihn dazu, aber mindestens ebenso wichtig ist das Leben im Alltag: wie ehrlich bin ich, auch im Kleinen; wie sehr lasse ich mich von der Not anderer berühren und handle dem entsprechend; wo bin ich bereit auf mein Recht zu verzichten, wenn die Welt dadurch gerechter wird?
Amos kritisierte damals lautstark „die da oben“, gemeint sind aber ebenso alle anderen. Damals wie heute. Denn das drohende Unheil unterscheidet nicht zwischen Großen und Kleinen, damals nicht und heute auch nicht.
„Suchet Gott, so werdet Ihr leben!, suchet das Gute und nicht das Böse, so wird der Herr bei Euch sein“, liest man bei Amos 5, 4+14 und dem ist nur noch hinzuzufügen: „Schiebt das nicht auf die lange Bank!“

Ihr Pfr. Robscheit aus Kapellendorf

Juni 2010

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