8. September 2015

Einer trage des anderen Last

Von Th.-M. Robscheit
This entry is part 52 of 134 in the series geistliches Wort

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn Sie in diesen Tagen etwas von Kirche in der Zeitung lesen, ist das selten vergnügungssteuerpflichtig. Menschen sind verletzt oder machen sich große Sorgen; die Tränen der Trauer, Hoffnungslosigkeit oder Wut machen sie dann vielleicht selber blind und wieder andere werden getroffen. Ein Teufelskreis, wie ich meine auch im Wortsinn! Doch wie soll man den durchbrechen? Jeder ächzt unter den Lasten, die ihm aufgebürdet werden; Sorgen und Nöte drücken ihn nach unten, der Blick ist nicht mehr frei für die Weite.
Vielleicht kennen sie ähnliche Situationen auch aus ihrem Umfeld, ihrer Familie gar. Da ist jemand gefangen ist in Eifersucht. Ein anderer hat den Eindruck, alle anderen würden ihn immer beschneiden, er käme dauernd zu kurz usw. Dann spinnen Menschen sich immer mehr ein und schließlich, wie bei einer selbst erfüllenden Prophezeiung, finden sie jedes Vorurteil bestätigt. Wie diesen Teufelskreis durchbrechen?

Der Spruch für die neue Woche zeigt einen möglichen Weg dazu: „Einer trage des anderen Last“ ist ein Zitat aus dem Neuen Testament (Galater 6, 2). Mit Inhalt gefüllt wird dieser Bibelvers für mich durch den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1988. Ein Vikar und ein überzeugter Marxist werden 1950 in einem Lungensanatorium in des selbe Zimmer gelegt. Beide sind stur und von ihren Ideen zutiefst überzeugt. Im Laufe des Filmes lernt jeder wirklich auf den anderen zu hören. Als sich die beiden ihrer gemeinsamen humanistischen Ideale bewusst werden, sind sie in der Lage, über die tiefen Gräben einander die Hand zu geben. Schließlich verzichtet einer der beiden auf einen medizinischen Vorteil zugunsten des anderen, ohne dass dieser das zunächst überhaupt weiß.

Es war ein Wunder, dass dieser Film in der DDR überhaupt im Kino lief; aber es ist kein Wunder, wenn Menschen, die durch Liebe, Freundschaft, Arbeit oder Glauben zueinander gehören, einander Lasten abnehmen, sondern das ist (Mit-)Menschlichkeit!

Ihr Pfarrer Th.-M. Robscheit

Juni 2012

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