Urlaub
Liebe Leserinnen & Leser,
ist es Ihnen auch schon einmal so gegangen, dass Sie den Eindruck hatten, in einer anderen Welt zu leben? So als wären Sie jemand ganz anderes? Oder nein: Nicht als wären Sie jemand anderes, sondern, Sie würden ein anderes Leben leben mit anderen Freuden und anderen Problemen? Mir geht es im Moment gerade so!
Ich sitze vor meinem Zelt, leicht säuselt der Wind, das Meer rauscht, vor mir steht noch die leere Espressotasse. Seit zehn Tagen habe ich weder Nachrichten gehört noch eine einzige e-Mail gelesen, geschweige denn geschrieben! Selbst diese Zeilen schreibe ich nicht wie gewohnt am Computer. Alles ist anders und doch bin ich der selbe! Weder die Kirchrechnung von Hammerstedt noch die anstehenden Malerarbeiten in Kapellendorf bewegen mich derzeit. Dafür denke ich darüber nach, wo ich Trinkwasser bekomme & wann wir das Zelt abbauen und weiterziehen werden, oder wie sich das Wetter entwickeln könnte. Gleichzeitig ist alles, was in Kapellendorf wichtige Realität war, weit weg, verschwommen nur und fast unwirklich. Und das, liebe Leserinnen & Leser, ist gut so! Der Abstand vom Alltag weitet unseren Blick für eine uns umgebende Welt, die weit größer ist, als das was tagtäglich in unser Bewusstsein dringt! Wieviel unserer Umgebung nehmen wir vor lauter Routine und Stress gar nicht war? Das Wasser kommt wie selbstverständlich aus der Leitung, bei Regen gehen wir ins trockene Haus usw.! Mit unseren Gewohnheiten ist es nicht anders: ohne Nachrichten oder ständigem e-Mail Kontakt dreht sich die Welt nicht weiter, denken wir manchmal, aber im Urlaub können wir erleben, dass es auch ein Leben jenseits unserer Alltagsroutine gibt.
Nun möchte ich nicht darüber lamentieren, ob das mit unserem Alltag nun gut oder schlecht ist, sondern den Blick auf etwas anderes lenken: Selbst im Urlaub rutschen uns ganz vertraute Dinge in eine fast unwirkliche Ferne ohne das sie an „Wirklichkeit“ verlieren. Nur für uns sind sie weit weg. Genauso ist das mit unserer religiösen Wirklichkeit: Gott, unser Leben nach dem Tod, alles oft ganz weit weg, wir nehmen es meistens nur schemenhaft wahr; dennoch ist es genauso Wirklichkeit wie Dinge unseres Alltages, an die wir gerade kaum denken.
Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt hin und wieder Ihren gewohnten Trott zu verlassen, damit sich Ihr Blick für die unvorstellbare Vielfalt unserer irdischen Realität weitet und Ihr Herz offen ist für die noch größere Welt Gottes.
Ihr Pfr. Th.-M. Robscheit, derzeit am Strand
Juli 2009